Blick ins Buch
Wer das Erstarken einer neuen Rechten verhindern will, sollte die visuelle Rhetorik der NS-Zeit kennen und verstehen.
Als Andreas Koop uns 2008 NSCI, ein Buch über das visuelle Erscheinungsbild des Nationalsozialismus, vorschlug, haben wir geschluckt: Kann und darf man fast 80 Jahre nach der Reichsprogromnacht in Deutschland ein Buch über die »Corporate Identity« der Nationalsozialisten machen? Darf man die geölte Maschinerie der Schreckensherrschaft überhaupt mit einem Vokabular beschreiben, das erst später aufkam und heute als die Grundlage der Unternehmenskommunikation etabliert ist?
Anders herum stellt sich die Frage: Muss man – gerade in Deutschland – die Designforschung nicht auch auf diese Zeit ansetzen? Und warum hat es so lange gedauert, bis sich ein forschender Gestalter dieses Themas annahm?
Wir haben es gewagt. In sachlicher Distanz und bewusster Anlehnung an die heute übliche Struktur des Entwurfs, der Implementierung und Analyse von CI-Prozessen setzte sich Andreas Koop mit dem Nationalsozialismus auseinander. Und erschloss für eine Generation, die das Dritte Reich nur noch aus Filmen (und deren teils wenig sauber recherchierten Requisite) kennt, die visuelle Welt einer Schreckensherrschaft. Die durch die Analyse ihres Erscheinungsbildes nicht im Ansatz beschönigt wird.
Zum ersten Mal wurde der Nationalsozialismus visuell erforscht.
Was für Gestalter einen vollkommen neuen Zugang ermöglichte, mag für den einen oder anderen Historiker innovativ oder irritierend gewesen sein.
NSCI war schnell vergriffen, die Nachfrage ebbte nicht ab. Die zweite erweiterte Auflage erschien 2012 vor dem Hintergrund europaweiter Rezession und erschreckender nationalsozialistischer Aktivitäten in Deutschland und Europa. Die nun vorliegende dritte, wiederum um 16 Seiten erweiterte Auflage trifft auf ein noch mal dramatisch verändertes gesellschaftliches Umfeld: Die neue Rechte in Deutschland, in Europa, aber auch in Amerika bekennt sich offen zu den Symbolen der Nazizeit und versucht damit die Idee der Europäischen Union zu unterminieren und in Amerika die Schrecken der Nazizeit zu verharmlosen.
Mangelnde echte Integration von Mitbürgern mit Migrationshintergrund und das Gefühl des »Abgehängtseins« scheinen den Boden zu bereiten für Menschen, denen beim Rückblick auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 kein kalter Schauer über den Rücken läuft, aus dem politische Verantwortung erwächst.
NSCI soll weiterhin die Augen öffnen. Den analytischen Blick schärfen. Zu Designforschung anregen. Und gerne auch zum Nachdenken über die politische Dimension von Gestaltung und der daraus folgenden Verantwortung des Designers.
Das Standardwerk zur visuellen Rhetorik des Nationalsozialismus
NSCI ist mittlerweile zum Standardwerk für die Analyse des visuellen Erscheinungsbildes der Nationalsozialisten geworden, nüchtern dokumentiert von Andreas Koop, der sich seit Jahrzehnten mit visueller Designforschung und der Gestaltung von Macht beschäftigt.
Eingebettet in die Zeitströmungen der 30er Jahre stellt Koop die Corporate Design Elemente als eine Art Manual vor: Hakenkreuz und Reichsadler, Fahnen und Symbole, die SS-Runen (erstmals in dieser 3. Auflage), die Verwendung von Farbe, Schrift und Typografie bis hin zu Inszenierungen, Architektur und Uniformen.
Andreas Koop öffnet Augen. Nicht nur für den Blick zurück!
Zu Ausstattung und Gestaltung
NSCI
Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten 1920 – 1945
3. überarbeitete und ergänzte Auflage
176 Seiten mit meist farbigen Abbildungen
Format 17,4 x 24 cm
Fadengehefteter Festeinband
Sie können das Buch hier im Shop, in Ihrer Lieblingsbuchhandlung oder online auf genialokal.de bestellen.